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“Mysteriöse” Uhren mit elektrischem Antrieb

Electric "Mystery Clocks"

Les "mystérieuses" dans l'horlogerie électrique

Von Michel Viredaz

Deutsche übersetzung von Christa Nehls unter Mitwirkung von Felix Closs

viredazepal@bluewin.ch

Die “mysteriösen“ oder “geheimnisvollen“ Uhren sind in der klassischen Uhrenkunde wohlbekannt. Sie beruhen auf einem Bewegungsprinzip der Zeiger, das für das Auge nicht wahrnehmbar ist, z.B. wegen seiner Langsamkeit oder weil  es nicht auf Anhieb erkennbar ist.

Zwischen 1930 und 1960 wurde diese Idee mehrfach von den Herstellern kleiner elektrischer Tischuhren wieder aufgenommen, von denen ich hier einige Modelle beschreiben möchte. Die meisten haben einen Synchronmotor, ich möchte hier nicht  auf diesem ohnehin bekannten Antrieb eingehen. Ich werde mich vielmehr auf den Aspekt der wirklich “mysteriösen“ Uhren konzentrieren, insbesondere auf deren Mechanismus zur Zeigerbewegung. In meiner Sammlung habe ich eine Mutter-Uhr, die man mit dieser Familie in Verbindung bringen kann; bei dieser erscheint die Bewegung des Pendels geheimnisvoll. Sie trägt keinerlei Hinweis über ihre Herkunft, wenn da nicht die Inschrift auf dem Ziffernblatt wäre: GENUS.

Die Bekannteste dieser elektrischen mysteriösen Uhren ist vermutlich die Golden Hour von der Jefferson Electric Company (Bellwood, Illinois, USA), deren Patent aus dem Jahre 1953 stammt (Fig. 1). Der Motor verbirgt sich in einem kleinen Sockel und die Zeiger sind in der Mitte einer runden Glasplatte aufgehängt. Diese wiederum ist eingefasst von einem Zahnkranz,  der im Rahmen versteckt ist und auf unsichtbare Art angetrieben wird. Auf dem Rahmen sind auch die Ziffern angebracht. Der Minutenzeiger ist auf der Glasscheibe befestigt, die eine Umdrehung pro Stunde ausführt, während der Stundenzeiger durch ein klassisches Zeigerwerk angetrieben wird. Dieses sitzt hinter der Zeigerachse und wird durch ein Gegengewicht in senkrechter Position gehalten, wodurch eine  Drehung um sich selbst verhindert wird. Es sieht so aus, als wären diese kleinen Tischuhren nicht in den USA hergestellt worden, sondern in Holland, und zwar im Hause der Nederlandsche Uurwerkfabrieken NUFA NV, die übrigens auch andere Modelle konstruiert haben. Eines davon wird über eine biegsame Welle im Inneren einer gekrümmten Röhre angetrieben.

 

Fig. 1: Tischuhr Golden Hour der Jefferson Electric Company.

Es gibt noch ein gleiches Modell (genannt: Suspense), das nicht wirklich mysteriös ist, aber es basiert auf exakt dem gleichen Prinzip (Fig. 2). Diese Uhr hat die Form eines kleinen, rechteckigen Glasfensters mit Rahmen, die Glasplatte ist am Motor über ein Kettchen aufgehängt, welches den Antrieb sicherstellt. 

Fig. 2: Tischuhr Suspense der Jefferson Electric Company.

Eine ähnliche Uhr wurde von Etalage Reclame Corporation, New York, hergestellt, zuweilen auch unter dem Markenamen Tiffany verkauft (Fig. 3). Sie besteht aus vier Glasplatten. Zwei davon, je eine vorne und hinten, schützen das Uhrwerk, während die beiden mittleren sowohl den Stunden- als auch den Minutenzeiger antreiben. Der Effekt ist eher ästhetisch als mysteriös, weil  der „Trick“ relativ offensichtlich ist.

 

Fig. 3: Tischuhr der Etalage Reclame Corporation.

Etwas subtiler ist vielleicht die Uhr von Haddon (Fig. 4). Auch wenn das Aussehen dem der Golden Hour von Jefferson sehr ähnlich ist, so funktioniert sie doch nicht nach dem gleichen Prinzip: die Stundenangaben sind auf der Glasplatte fest geklebt und daher dreht diese sich nicht. Betrachtet man die Uhr von Nahem, so erkennt man einen hauchfeinen Metallfaden am Ende des Minutenzeigers. Dieser Faden ist an einem Zahnkranz im inneren des Rahmens befestigt. Das Stundenrad funktioniert auf klassische Art. Im Sockel befindet sich auch eine kleine Lampe, welche die Hinterwand beleuchtet. Dadurch ist diese Uhr ideal für einen festen Platz auf dem Fernseher geeignet.

 

Fig. 4: Tischuhr von Haddon.

Wenn wir in der Zeit zurückgehen, finden wir von 1935 an die Smith (Smith English Clocks Ltd., Cricklewood, London). Diese Uhr erweist sich als wesentlich raffinierter in der Konstruktion, denn sie ist quadratisch (Fig. 5). Der Schlüssel zum Mysterium: Der im Sockel liegende Motor versetzt eine quadratische Glasplatte in langsame Schwingungen von 6 Grad. Diese Platte ist nur unwesentlich kleiner als  der Rahmen ( es genügen wenige Millimeter). Diese Bewegung wird durch eine Klinke auf ein winziges Zeigerwerk übertragen, alles eingeschlossen in einer Röhre, welche die Zeigerachsen umgibt. Bei jeder Schwingung bewegen sich die Zeiger eine Minute vorwärts. Die Vorwärtsschwingung dauert ca. 20 – 30 Sekunden,  die Rückwärtsschwingung der Klinke dagegen ca. 30 – 40 Sekunden.

 

Fig. 5: Tischuhr der Smith English Clocks Ltd.

Die amerikanische Firma  Master Crafters (Chicago, USA), auch bekannt durch ihre Billigimitation der Atmos (ein Synchronmotor treibt die Zeiger, während das Räderwerk nur vorgetäuscht ist) , realisierte auch ein ähnliches Modell zur Smith, aber mit zwei sichtbaren Klinken (Fig. 6). Sie hat ein gefälliges Design, aber man begreift ihre Funktionsweise wesentlich leichter.

 

Fig. 6: Tischuhr von Master Crafters.

 

Die GENUS Hauptuhr kann auch als mysteriös bezeichnet werden. Allerdings habe ich bis heute noch keine Beschreibung dazu bei allen meinen Literaturrecherchen gefunden. Sie hat ein Pendel, aber man sieht weder Gewichte noch eine Aufzugsöffnung noch eine elektrische Spule. Tatsächlich versteckt sich eine solche Spule im Holz  unter einem dünnen Furnier, dasselbe gilt für die elektrischen Drähte.  Um die Illusion zu vervollständigen, tarnt sich die Weicheisenarmatur am Pendelende als Justierschraube. Zusätzlich wurde diese noch mit Messing überzogen, um den Eindruck eines nicht-magnetischen Metalls vorzuspiegeln. Der elektrische Impuls wird von einem Quecksilberkontakt kontrolliert, der mit dem Pendel schwingt und sich mitten im Uhrwerk hinter dem Ziffernblatt versteckt. Jede Minute wird durch einen zweiten Quecksilberkontakt ein Impuls an die Sekundäruhren gegeben. Dieser Kontakt wird wiederum durch einen Elektromagneten gesteuert. Die Konstruktion ist ziemlich gewichtig,  mit merkwürdigen Stahlplatten, die einige Millimeter dick sind. Dies wäre eigentlich überflüssig, da das Räderwerk  auf das Minimum reduziert ist. Das Gehäuse ist aus Mahagoni und scheint aus den Jahren 1940 – 50 zu stammen.


Interessanter Link für Amerikanische Mysteriösen: Roger Russell, McIntosh Lab., Scripto and Norma Pencils and leads

Wenn Sie mich persönlich anschreiben möchten: viredazepal@bluewin.ch

Letzter Stand: 24. März 2003